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Hier mal ein Portfolio der Meldungen der großen 3 Verbände:
GEW:
BPV
BLLV
GEW:
GEW kritisiert Einstellungspolitik des Kultusministeriums
Kategorie: Startseite, Pressemitteilung
Vom: 14. Januar 2010
Die Bekanntgabe der Einstellungsnoten für das Gymnasium traf gestern viele erfolgreich ausgebildete LehrerInnen wie ein Schlag ins Gesicht – sie werden im Februar auf der Straße stehen.
Es war absehbar, dass trotz großem Bedarf nicht alle ReferendarInnen übernommen werden. Dass die Übernahmequote von nahezu 100 % auf unter 5 % abstürzt, übertrifft jedoch die schlimmsten Befürchtungen um Lichtjahre. So werden z. B. von 90 erfolgreich ausgebildeten Deutsch/Geschichte-LehrerInnen gerade einmal 4 ins Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Der erforderliche Notendurchschnitt stieg von 3,4 bei der letzten Einstellung auf 1,4. Ähnlich ist die Situation in den anderen geisteswissenschaftlichen Fächern.
Dazu Gele Neubäcker, Vorsitzende der GEW Bayern: „Die betroffenen KollegInnen sind Opfer einer völlig verfehlten und kurzsichtigen Einstellungspolitik des KM. Es ist nicht lange her, dass LehrerInnen aus anderen Bundesländern auch in diesen Fächern angeworben wurden, um die Unterrichtsversorgung notdürftig zu gewährleisten. Gleichzeitig sucht das KM seit dieser Woche 40 DiplomphysikerInnen, die – zunächst ohne jede pädagogisch/didaktische Qualifikation unterrichten sollen. Auch GrundschullehrerInnen, die den für die Grundschule erforderlichen Notendurchschnitt nicht erreicht haben, unterrichten an Gymnasien. Ein Konzept ist nicht erkennbar.“
Die GEW weist seit Jahren auf den sog. Schweinezyklus hin: LehrerInnenmangel motiviert viele AbiturientInnen, ein Lehramt zu studieren. Dadurch entsteht nach etwa 5 bis 7 Jahren ein „Überangebot“ an Lehrkräften und Arbeitslosigkeit. Diese wiederum schreckt AbiturientInnen vom Lehramtsstudium ab, der nächste LehrerInnenmangel ist programmiert….
Dazu Neubäcker: „ Es gehört zur Fürsorgepflicht des Staates, jungen Menschen, die er für ein Lehramtsstudium geworben hat, auch eine Perspektive in ihrem Beruf anzubieten. Um allen Kindern und Jugendlichen die Chance auf eine angemessene Förderung in der Schule zu geben, brauchen wir noch lange die Einstellung aller erfolgreich ausgebildeten LehrerInnen. Außerdem ist es höchste Zeit für eine neue, schulartunabhängige LehrerInnenbildung. Damit wird mittelfristig der flexible Einsatz möglich und es wird gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für gemeinsames Lernen in einer inklusiven Schule für alle Kinder und Jugendlichen geschaffen.“
V.i.S.d.P. Elke Hahn, Geschäftsführerin, Schwanthalerstraße 64, 80336 München (01716760000)
BPV
Hartz IV statt Unterricht - Bayern will im Februar viele Junglehrer in die Arbeitslosigkeit entlassen
Max Schmidt: „Unsere Gymnasien brauchen jeden Kollegen!“
Eine dramatische Wende zeichnet sich auf dem Arbeitsmarkt für Gymnasiallehrkräfte in Bayern ab: 300 Junglehrer, die im Februar ihre Ausbildung beenden, sollen nach Informationen des Bayerischen Philologenverbandes (bpv) keine Anstellung erhalten; in manchen Fächern droht die Übernahmequote sogar auf 5 Prozent der Bewerber zu sinken. Betroffen sind vor allem Lehrkräfte in Fächerkombinationen mit Deutsch und den modernen Fremdsprachen. Wurden auch in diesen Fächern in den vergangenen Jahren sämtliche Bewerber bis zur Notengrenze von 3,5 eingestellt, drohen jetzt selbst Bewerber mit sehr guten Noten leer auszugehen.
Enttäuschung, Wut und Existenzangst als verbreitete Gefühlslage
Nach einem Treffen mit Referendarvertretern in München erklärte der bpv-Vorsitzende Max Schmidt: „Die Stimmung unter den Junglehrern ist geprägt von maßloser Enttäuschung, Wut und blanker Existenzangst. Während ihrer Ausbildung hat man den jungen Kollegen die schönsten Hoffnungen auf Übernahme in den Staatsdienst gemacht. Nun wollen viele dem Freistaat den Rücken kehren oder sich beruflich umorientieren, um Hartz IV zu entgehen. Die Staatsregierung darf jetzt alte Fehler nicht wiederholen und die jungen Kollegen achselzuckend ziehen lassen – unsere Gymnasien können jede qualifizierte Lehrkraft gut gebrauchen!“
Schüler profitieren von mehr Lehrern, nicht von der Streichung von Unterricht!
Schmidt wiederholte seine im Sommer erhobene Forderung, das seit Jahren erstmals wieder größere Angebot an gut ausgebildeten Gymnasiallehrkräften als Chance zu begreifen und die Lern- und Lehrbedingungen für Schüler und Lehrer zu verbessern: „Der Bewerberüberhang sollte nun endlich dazu genutzt werden, mit dem Aufbau einer integrierten Lehrerreserve an jeder Schule zu beginnen. Die Gymnasien brauchen diesen personellen Puffer, um flexibel Unterrichtsausfälle zu vermeiden und die individuelle Förderung von Schülern zu verbessern. Und die Beruflichen Oberschulen sind für jeden Gymnasiallehrer dankbar, damit sie ihren Pflichtunterricht abdecken können." Vorbei, so der Vorsitzende, sei damit auch die Zeit, in der Grundschullehrkräfte am Gymnasium eingesetzt werden sollten, um den Pflichtunterricht abzudecken. An die politisch Verantwortlichen appellierte er abschließend: "Jetzt ist die Gelegenheit, nicht nur von konkreten Verbesserungen und Erleichterungen an unseren Schulen zu sprechen, sondern diese auch umzusetzen. Mit mehr Lehrkräften kann die Staatsregierung für die Bildung unserer Schüler auf jeden Fall ungleich mehr tun als durch die neuerliche Streichung von Unterrichtsstunden und -inhalten!“
BLLV
BLLV will Qualität des Gymnasiums erhalten
BLLV-Präsident Wenzel: „Die nicht verstummenden Klagen zeigen, dass die
Politik an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei agiert“
München - „Für die bayerischen Gymnasien werden die Weichen erneut völlig falsch gestellt.“ Mit dieser Kritik hat sich der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, in die nicht enden wollende Diskussion um die Reform der gymnasialen Oberstufe und die aktuelle Kritik an der verfehlten Einstellungspolitik eingeschaltet. „Die nicht verstummenden Klagen von Schülern, Eltern und Lehrern zeigen, dass das Gymnasium nicht zur Ruhe kommen kann, weil die Politik ganz offensichtlich an den Bedürfnissen der Betroffen vorbei agiert“, stellte Wenzel fest. „Wenn trotz übergroßer Klassen und andauerndem Lehrermangel von allen ausgebildeten Referendaren nur etwa die Hälfte übernommen wird, wenn die Klagen über Zumutungen in der neuen gymnasialen Oberstufe nicht abreißen, dann wird das bayerische Gymnasium erheblich an Qualität verlieren und zur Paukanstalt verkommen.“
Nach der Realschule sind die Klassenstärken an den Gymnasien am größten. Die Lehrerinnen und Lehrer ächzen unter der Korrekturlast - insbesondere die Deutschlehrer. Im Krankheitsfall müssen Stunden von Kollegen vertreten werden oder fallen aus. „Wenn vor diesem Hintergrund angehende Gymnasiallehrer/in*nen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, ist die Wut und Enttäuschung nachvollziehbar. Diese ‚Ohrfeige’ trifft nicht nur sie, sondern auch Schüler und Lehrerkollegen, die dringend auf mehr Personal angewiesen sind“, erklärte Wenzel.
Derzeit unterrichten Referendare im zweiten Ausbildungsabschnitt bis zu 17 Stunden in der Woche. Sie decken damit so viel Unterricht ab, dass für diejenigen, die jetzt mit der Ausbildung fertig werden, zu wenig Stellen vorhanden sind. Im Jahr 2007 wurde die Einsatzzeit von Referendaren am Gymnasium von max. 16 auf max. 17 Stunden angehoben, dieser Schritt wurde damals mit der angespannten Personalsituation und der Sicherung der Unterrichtsversorgung begründet. „Wir haben dies schon damals heftig moniert und auch abgelehnt, weil die Folgen, die jetzt auch eingetreten sind, aus Sicht des BLLV absehbar waren.“ Natürlich wurde und wird auf diese Weise auch viel Geld eingespart, denn es ist billiger, Referendare mit 17 Stunden einzusetzen, als einen Planstellen-Lehrer. Wenzel forderte umfangreiche Übernahmen, zumindest auf Superverträgen, d.h. befristet angestellt, mit einer Garantie der anschließenden Verbeamtung sowie die Senkung der Unterrichtspflichtzeit im zweiten Ausbildungsabschnitt des Referendariats.
Die gymnasiale Oberstufenreform bezeichnete der BLLV- Präsident als anachronistisch: „Ihr liegen Vorstellungen eines veralteten Lern- und Leistungsverständnisses zugrunde.“ Der BLLV forderte daher das Kultusministerium auf, die Reform noch einmal kritisch zu überprüfen, die Beschwerden und Klagen der Betroffenen ernst zu nehmen und entsprechende Nachbesserungen einzuleiten.
Der BLLV plädiert für den Erhalt der Kollegstufe in ihrer früheren Form. Auch die ausgeweitete Verpflichtung bei den Abiturprüfungen muss zurückgenommen werden. Wenzel wies darauf hin, dass das Abschaffen der Kollegstufe nicht nur die Situation der Schüler/innen extrem verschlechtert habe: „Durch den Wegfall der Differenzierung in Grund- und Leistungskursen sind die Klassengrößen in der neuen Oberstufe höher. Darunter leidet nicht nur die Betreuung der Schülerinnen und Schüler der sog. Qualifikationsphase, Q11. Auch die Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer sei gestiegen, „wobei es besonders hart Lehrkräfte für Fremdsprachen, Mathematik und Deutsch trifft.“ Hinzu kommt, dass jeder Schüler nun 33 Wochenstunden belegen muss, um auf die Mindestzahl von 132 Stunden zu kommen. „Es leuchtet jedem ein, dass dies im Vergleich zur früheren Kollegstufe ein deutliches Mehr an Stunden ist, woraus sich zwangsläufig eine höhere Belastung ergibt.”
Grundsätzlich hält der BLLV die Verpflichtung, in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie in einer Fremdsprache die Abiturprüfung ablegen zu müssen, für problematisch: „Dass während des Studiums und in Spitzenberufen gute Deutsch-, Mathematik- und Fremdsprachenkenntnisse wichtig sind, ist eine Binsenweisheit. Und offenbar mangelte es den bayerischen Abiturienten bisher daran - jedenfalls weist die Wirtschaft immer wieder auf solche Defizite hin. Allerdings hilft gegen solche Defizite nach zwölf Jahren Schule auch eine Prüfung am Ende der Schullaufbahn nicht. Ein verpflichtendes Deutschabitur macht aus einem sprachlich unbeholfenen Zehntklässler keinen brillanten Literaturkritiker.“ Hier werde Lernen mechanisch verstanden - “diese Vorstellung ist naiv und überholt, weil sie sich auf den rein quantitativen Sektor beschränkt und die Lernprozesse vernachlässigt. Damit wird sie den Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes in keiner Weise gerecht.”
Wenzel kündigte an, noch vor dem Frühjahr ein umfangreiches Positionspapier zur Zukunft des bayerischen Gymnasiums vorzustellen. „Wir brauchen eine völlige Neuausrichtung.“
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