Das ehemalige und Irgendwie-Immer-Noch-Pop-Idol David Bowie, der zusammen mit den Stones den geraden Kurs in die eigenen Sechziger eingeschlagen hat, sieht den Zusammenbruch der Musikindustrie in naher Zukunft auf uns zukommen. Auch die Superstar-Happenings bekommen ihr Fett weg. Ein Rezept fürs Überleben der Branche kann Bowie hier nicht erkennen, eher so etwas wie Kreuzfahrt-Unterhaltung...
(Disc4You/Freitag, 19. September 2003) - In einem Interview mit der Zeitschrift Stern prophezeit die überlieferte Pop-Ikone David Bowie, die ihre populärste Chart-Zeit in den Siebzigern hatte, aber in all den Jahren danach noch als ernsthafter Musiker überzeugen konnte, dass die gesamte Musikindustrie in ihrer heutigen Form wegen des Webs zusammenbrechen wird. Der Altstar, der in der Vergangenheit immer wieder durch innovative Ideen von sich reden machte und zu den erfolgreichsten Musikern aller Zeiten gezählt wird, rechnet die sich bereits jetzt abzeichnenden Veränderungen im Musikgeschäft hoch und sieht für die Zukunft schwarz - zumindest für die Musikindustrie, wie sie jetzt besteht und mit aller Macht ums Überleben kämpft. "Sie wird in sich zusammenbrechen, davon bin ich überzeugt."
"Musik ist mittlerweile so zugänglich wie Wasser und Strom", konstatiert der 56-Jährige in dem am Mittwoch veröffentlichten Interview. "Wir erleben jetzt schon massive Veränderungen durchs Internet. Die Leute laden sich was runter im Netz, mixen es neu und verschicken es weiter. [...] Der eigentliche Song wird irgendwann nur noch Rohmaterial sein", sagt der Star, der in seinem Leben so manchen neuen Pfad selber beschritten hat und seiner Musik immer neues Leben einzuhauchen verstand.
"[...] vor allem wird das antiquierte System des Vertriebs und Marketings wegfallen. [...] Dies ist nur noch eine Frage von ein paar Jahren." Während die Veränderung der Musik also als nichts anderes als die gleiche Geschichte wie seit Menschengedenken angesehen wird, liegt die wirkliche Gefahr für die jetzige Musikindustrie im Unwillen der Verbraucher, den herkömmlichen Musikvertrieb weiter mit sich herumzuschleppen und finanziell zu subventionieren. Dementsprechend klagt diese auch bereits seit Jahren über herbe Verluste, die der Internet-Download von Musik und die zunehmende Eigenproduktion über häusliche Brenner ihnen zufügt. So soll der Absatz von CDs im ersten Halbjahr 2003 um mehr als 20 Prozent zurück gegangen sein - trotz millionenschwerer Trends wie die Superstar-Hysterie, der derzeit auf allen Kanälen ausgebrochen ist und die von Bowie als nicht besonders glücklicher Wurf bezeichnet wird.
Bowie, der selber immer extrem unabhängig war und ist, fördert auch junge Musiker, die nicht ins Raster der Musikindustrie passen und die wenig mit den Hochglanz-kompatiblen Marionetten gemein haben, die derzeit gezielt in den Markt platziert werden. Er halte wenig von Stars, die über TV-Sendungen wie Deutschland sucht den Superstar in die Medien und die Charts gelangen. "Was die da machen, erinnert mich an Kreuzfahrt-Unterhaltung. Am Ende eines langen Tages kommen die Stewards und Hostessen raus auf die Bühne und müssen für die Passagiere noch den Clown spielen. Schrecklich. [...] Ich bedaure, dass viele dieser Musiker so erfolgreich sind."
Ab Oktober 2003 befindet sich David Bowie auf Deutschlandtour, um sein neues Album Reality vorzustellen.