Eine besonders schöne Sache an Musik im Allgemeinen ist ja, dass es für jede Stimmungslage die passende Musik gibt. Die Vielfalt der Möglichkeiten spiegelt sich dementsprechend häufig auch in der bunten Mischung der privaten CD-Sammlung wider. Als Musikfreund hat man ja zumeist eine Vorliebe für einen bestimmten Sound, was jedoch nicht bedeutet, dass man nicht doch einen breit gefächerten Geschmack haben kann. So kommt es auch, dass im heimischen CD-Regal Nachbarschaften zwischen Madonna und Mastodon , zwischen Slayer und Simon And Garfunkel oder zwischen Adele und Archive kein Widerspruch sein müssen.
Wenn der eigene Geschmack also breit ist, so kann es der von Musikern natürlich auch sein. Nur logisch, wenn sich das auch entsprechend im Sound der Musikschaffenden ausdrückt. Stagnation ist ein zwar ein Risiko für Bands und Musiker, Weiterentwicklung kann es aber auch sein. Im Fall von „Chuckles & Mr. Squeezy“ gehen Dredg durch Weiterentwicklung – oder sollte man 180°-Wendung sagen ? – ein hohes Risiko ein. Ob das Risiko zu hoch ist, wird sich zeigen, aber wer bisher eine Schwäche für Dredg hatte, wird nun höchstwahrscheinlich seine Probleme mit der Band haben.
Unter der Regie von „Dan the Automator“ (Kasabian, Gorillaz) gibt es mit dem fünften regulären Studioalbum ein Werk, das von der Band selbst als „Dark Pop“ eingeordnet wird. Nach kurzem Hören fängt man recht schnell an zu zweifeln, denn was da abgeliefert wird, hat mit Dredg wie man sie bisher kannte wenig zu tun. Zwar erkennt man die unverkennbare Stimme von Gavin Hayes sofort wieder, aber damit hat es sich dann auch fast. Von den intelligenten Songstrukturen und meterdicken Gitarrenwänden vergangener Zeiten ist praktisch nichts übriggeblieben. Man denke nur an die Großtat „El Cielo“ von 2002. Im Jahr 2011 hingegen regiert der Pop. Zugegeben, die Entwicklung hin zu immer poppigeren Gefilden kommt nicht gänzlich überraschend und hat sich auf den letzten Veröffentlichungen durchaus ein Stück weit angekündigt. Dennoch: In dieser Konsequenz überrascht es dann doch.
Auch in ihren progressiven Momenten hatten Dredg schon immer ein Händchen für poppige Melodien und gegen Pop ist ja prinzipiell auch nichts einzuwenden. Doch so wie das hier serviert wird, reicht es nicht. Es gibt einfallslose 08/15-Beats, die einen tiefen Zug 80er-Luft geatmet haben und Melodien wie man sie schon hundertfach gehört hat. Lediglich einmal, nämlich bei „Upon Returning“ blitzt durch, wozu Dredg früher mal im Stande waren. Die ersten Sekunden von „Somebody Is Laughing“ sind auch vielversprechend, werden jedoch prompt durch einen unpassenden Bumm-Bumm-Beat und gruselige Oh-Oh-Oho-Backing-Vocals zerstört Ansonsten kommt da nicht viel. „Down Without A Fight“ würde man auch Justin Timberlake abnehmen und der lupenreien Schlager „Where I’ll End Up“ hätten auch von Tom Jones oder Elvis Presley himself (!) stammen könnten. Streckenweise wirken die äußerst fähigen Musiker merkwürdig unterfordert.
Es sei der Band gegönnt, dass sie nach mehr als fünfzehn aktiven Jahren Lust auf diese Art von Musik hat. Aber als alter Fan der Band muss man diesen Weg nicht mitgehen. Ob „Chuckles & Mr. Squeezy“ ein kommerzieller Rohrkrepierer wird, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt. Durchaus möglich, dass die Band sich neue Käuferschichten erschließt und mehr Fans gewinnt, alte vergrätzt. Das Potenzial für Massenkompatibilität ist durchaus da. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass Dredg sich hiermit in der illustren Nachbarschaft der eigenen CD-Sammlung behaupten können.