Dizzy Reed, warum *haben Sie Ihre letzte Show in Dublin abgebrochen?
Dizzy Reed: Abgebrochen ist das falsche Wort. Es gab eine längere Pause, aber wir haben den Gig beendet.
Was ist passiert?
Ein paar Schwachköpfe haben Flaschen geworfen. Es gibt keinen Grund, sich das bieten zu lassen. Denn dieser Scheiss ist gefährlich.
Sie sprechen aus Erfahrung?
Unser damaliger Bassist Duff wurde 1993 von einer Flasche am Kopf getroffen und musste deswegen mit Blaulicht ins Spital gebracht werden. Eine der Flaschen hat mich nur um Zentimeter verfehlt. Wir haben die Fans gewarnt, dass wir die Show abbrechen müssen, wenn noch mehr Flaschen fliegen. Aber sie wollten nicht hören.
Also haben Sie die Show unterbrochen.
Ja, wir haben uns in den Backstage-Bereich verzogen, bis sich die Stimmung beruhigt hat. Es war ein sehr unangenehmes Gefühl.
Es war nicht der erste Zwischenfall der Tour.
Das war bei Guns N’ Roses schon immer so. 99,9 Prozent der Fans sind super, aber es gibt immer einige besoffene Idioten, die alles ruinieren wollen. Mal werfen sie was, mal zetteln sie eine Schlägerei an.
Wie erklären Sie sich das?
Es ist echt abgefahren, Mann. Ich meine, ich selber würde doch niemals Geld ausgegeben, um eine Band von der Bühne zu vertreiben. Wer unzufrieden ist, soll abhauen. Aber Flaschen zu werfen, das ist verdammt nochmal barbarisch!
Ihr Frontmann Axl Rose gilt auch als schwierig. Sie sind seit 20 Jahren in der Band. Wie halten Sie es mit ihm aus?
Ehrlich: Für mich gab es nie einen Grund, auszusteigen. Eine Band ist wie eine Ehe, als wäre man mit einem Haufen Kumpels verheiratet: Da heisst es manchmal durchbeissen, und sein Ego auf die Seite stellen. Denn ich habe grossen Respekt vor Axls Talent.
Innerhalb der Band gab es immer wieder Zoff. Sie haben sich aber stets rausgehalten. Sind Sie ein so ausgeglichener Mensch?
Ausgeglichen? (lacht) Wenn Sie wüssten! Nicht im Geringsten. Aber hey, ich sehe es so: Ich bin da, spiele Piano und versuche, so viel wie möglich zur Musik beizutragen. Das ist mein Job, und der macht mir immer noch Spass. Natürlich passiert es, dass meine Gefühle verletzt werden, aber das ist doch normal.
Haben Sie noch Kontakt zu den ehemaligen Mitgliedern Slash, Duff und Izzy?
Nein. Wir sprechen nicht miteinander.
Aber Sie haben doch auf Ihren Soloalben gespielt?
Ja, aber das war bevor sie definitiv ausgestiegen sind. Danach haben sie mich nicht angerufen, und ich sie nicht. Und so ist es bis heute.
Danach verstrichen unglaubliche 15 Jahre bis zum nächsten Guns n’Roses-Album «Chinese Democracy». Warum so lange?
Dafür gibt es keine simple Antwort. Irgendwie wurde das Album einfach nie fertig. Es gab ganze Jahre, wo wir jeden Abend im Studio standen. Aber wir waren trotzdem nicht zufrieden. Als wir es dann endlich hingekriegt hatten, haben wir es herausgegeben. Egal, was andere sagen: ich bin happy damit. Mein Leben ist bis heute Guns n‘ Roses gewidmet.
Das heisst, nach der Tour gibt es wieder ein neues Album?
Wir haben darüber gesprochen.Wenn, dann würden wir jedoch eher während der Tour etwas aufnehmen. Aber ich bin da sehr vorsichtig. Ich klopfe auf Holz, das es klappt.
Ihr exzessives Tourleben war früher berüchtigt. Und heute?
Alles andere als das. Vorher habe ich im Zimmer Poker gespielt – mit meinen Plüschtieren. (lacht)
Was hat sich verändert?
Damals bin ich total in diesen Lifestyle eingetaucht: Ich war überzeugt, dass Dekadenz einfach dazu gehört. Ein Trugschluss! Als ich Vater wurde, hatte ich irgendwann keine Lust mehr auf dieses exzessive Leben. Heute habe ich vier erwachsene Kinder: das macht mich glücklich.
Keine Nostalgie?
Na ja. Früher gab es diesen Rock-Mythos noch. Aber der ging verloren. Wenn man heute Koks*linien von den Titten eines Groupies zieht, steht es sofort auf Twitter. Das zerstört doch jeglichen Reiz. Und dann gibt es ja noch die andere, noch schlimmere Seite: Dieses ganze «Buhu, ich sitze allein in meinem Hotelzimmer und fühle mich so einsam, dass ich mich aus dem Fenster stürzen will»-Gesülze im Internet. Schrecklich! Schreibt besser einen Song darüber. Dann hat man auch Jahre später noch was davon.
Also kein Koks und keine Nutten mehr für Sie?
Ach, das ist eh total überbewertet. (lacht) Ein verzweifelter Versuch, die eigenen Downs zu bekämpfen. Mir gehts mies – holt Koks und Nutten!
«Hookers n‘ Blow», so hiess einst auch Ihre Coverband.
Ja, ich fand den Namen so lächerlich, dass ich ihn unbedingt als Logo haben wollte. Es hat auch riesig Spass gemacht. Mittlerweile haben wir das Projekt beerdigt. Aber man kann immer noch T-Shirts von uns kaufen!
Sie spielen nächste Woche in Zürich. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schweizer Auftritt?
Uff. Unscharf. Doch, jetzt, wo sie es sagen, fällt mir ein: Ich wollte als Kind immer in die Schweiz, in die Berge. Und als wir auf unserer endlosen «Use Your Illusion»-Tour waren, kamen wir endlich in die Schweiz, nach Basel. Aber da waren gar keine Berge! Ausserdem war meine Frau zu der Zeit hochschwanger mit unserem ersten Kind. Da bin ich zum ersten Mal in meinem Leben völlig ausgetickt. Ich habe völlig den Verstand verloren. Ich konnte nicht essen, nicht schlafen. Da haben sie mich auf einen Flieger gesteckt und heimgeschickt.