Zunächst: Ich finde das Ansinnen der Doku gut und wichtig. Es werden viele wichtige und richtige Fragen gestellt und es werden Finger in Wunden gelegt. Und dass sich der dümmste und moralisch ärmste Bodensatz der Szene selbst so in aller Öffentlichkeit die Narrenkappe aufsetzt, ist als Augenöffner auch mehr als angebracht.
Allerdings sehe ich an der Doku auch einige Kritikpunkte.
Ich finds gar nicht glücklich, Übergriffe beim Crowdsurfing und Ismen im Metal da in der selben Doku zu verbraten. Dazu ist dieses Crowdsurfing Thema in meinen Augen zu groß und genreübergreifend. Natürlich muss das dann auch im Metal Kontext erwähnt werden, allerdings hätte die Thematik denke ich schon davon profitiert, nicht unter diesem Metal Stempel zu laufen, sondern bei Festivals allgemein. Da könnte man dann möglicherweise immer noch zu dem Ergebnis kommen, dass das Problem auf Metal Festivals besonders groß ist; so wird das Thema in meinen Augen aber auf einer zu kleinen Ebene aufgemacht. Alles in allem empfinde ich diesen ersten Teil aber dennoch als der Thematik angemessen weitsichtig aufgearbeitet.
Womit ich wirklich fremdle ist dann Teil 2 der Doku. Nun kann man mir gerne Befangenheit vorwerfen, da Black Metal, wie man hier mittlerweile ja auch weiß, meine große musikalische Liebe ist. Und dass die im Video sehr prominent vertretenen Shining und Mayhem dabei zwei für mich sehr wichtige Bands sind, ist auch kein Geheimnis. Ebenfalls kein Geheiminis ist aber auch dieser Provokationsaspekt, der dem Black Metal strukturell innewohnt. Das heißt ausdrücklich nicht, dass man jede Scheißaussage einfach durchwinken muss und sich darauf ausruhen kann, dass das ja nur Show ist. Ich halte es aber für journalistisch unzureichend, einen gezielt provokativ auftretenden Niklas Kvarforth oder Hellhammer auf einer Ebene mit klaren NSBM Sachen wie Satanic Warmaster zu beleuchten. Es ließe sich hervorragend diskutieren, wie das Durchwinken provokanter Schwachköpfe wie Kvarforth unter der Berufung auf Black Metal Klischees möglicherweise eine Normalisierung tatsächlicher Rassisten ermöglicht, aber das Potential wird hier nicht genutzt. Es ist verständlich, wenn man mangels Sachkenntnis auf altes Material zurückgreifen muss, allerdings eignen sich 10 bis 20 Jahre alte Interviews nur bedingt, um ein Urteil aus heutiger Sicht zu fällen; das fiele mindestens beim 39-jährigen Kvarforth nämlich mittlerweile im Vergleich zum 29-jährigen Kvarforth ganz anders aus. Dass Marduk ihrerseits ihren Bassisten jüngst aufgrund eines unkontrollierten Arms rausgeschmissen haben, hätte als Info in der Doku als es um die ging auch einen Platz haben müssen.
Als es um die Veranstalter ging ist mir besonders die Passage mit den Leuten vom Breeze aufgefallen, einfach, weil ich bei denen seit 13 Jahren mitverfolgen kann, was die gegen solche Sachen unternehmen, da sie sehr transparent damit umgehen. Da hätte die Doku vielleicht Platz machen müssen, um nachzuzeichnen, was die Veranstalter - wie auch die von anderen Festivals - seit Jahren tun, um solche Tendenzen auszusortieren. Dass die merch Stände, die NSBM Kram vertickt haben, geschlossen worden sind, ist eine gute Info, die geliefert wird, zeigt aber eben nicht den Weg, der gegangen worden ist. Finde ich schade, weil die Doku davon profitieren würde. Und weil das überhaupt nichts daran ändert, dass Festivals an vielen Stellen immer noch einen blinden Fleck haben, aber Kontext liefert, der nicht unwichtig ist.
Liest sich jetzt alles viel abwehrender als es sein soll. Wie gesagt, ich bin grundsätzlich froh um die Doku. Aber ich als jemand, der vielleicht ein bisschen szenekundiger ist als die meisten, die diese Doku sehen, habe ich das Gefühl, dass da leider ganz wichtige Punkte verkürzt und in unpassenden Kontexten bearbeitet werden und daher viel Potential liegen geblieben ist.