Soo, ich war ja dieses Jahr live vor Ort. Da möchte ich gerne mal meine Eindrücke loswerden – zumal Wimbledon mit der Queue ja was ganz Besonderes zu bieten hat.
Als Prolog war ich zunächst mit nen Kumpel in Brüssel unterwegs zum Tour-de-France-Start. Er konnte dann leider aus prüfungstechnischen Gründen nicht mit nach London. Geplant war stattdessen, dass ich mich in Brüssel mit meinen zwei anderen Freunden, die das Ganze angeleiert hatten, treffen wollte, um zusammen mit ihnen mit den Eurostar nach London zu fahren. Das wurde dann leider nichts, da deren Anschlusszug in Frankfurt VORverlegt (!!!) wurde (hab sowas auch noch nicht gehört) und sie deswegen 2 Stunden später nach Brüssel fahren mussten. Wie dem auch sei. Eurostar war nunmal reserviert – und so ging es allein nach London, um dann 3 Stunden auf die anderen zu warten. Ich hatte mir vorgenommen mir beim Italiener seehhhr viel Zeit zu lassen beim Essen, aber musste dann feststellen, dass das an nen Bahnhof, wo alles auf „möglichst schnell“ getrimmt istgar nicht so einfach ist.
Als die beiden endlich angekommen waren ging es dann mit der Tube nach Wimbledon. Wichtig für alle Queuer: in Southfield auszusteigen, nicht in Wimbledon Park, man spart eine Menge Fußweg. Und mit dem ganzen Campinggepäck ist das ein nicht unerheblicher Faktor.
Angekommen sind wir dann sonntagabends, ca. 21:45 Ortszeit. War unsere Sorge zunächst eher, dass wir eventuell im Dunkeln das Zelt aufbauen müssten, ließen sich nun dicke, fette Regenwolken blicken. Auch nicht ideal. Wir erreichten das Areal. Bewegten uns auf die Stewards mit der gelben Queue-Fahne zu und bekamen dann unseren Platz zugewiesen. Da Sonntag war, war an diesen Tag auch kein Queuer „drin“ sodass der Platz ziemlich voll war. Wir bekamen drei Nummern jenseits der 1500.
(Zur Erklärung: In der Queue bekommt jeder, der sich anstellt eine Nummer, die die Reihenfolge bestimmt, wer zuerst Zugriff auf welche Tickets hat. Jeden Tag bis zum Herren-Viertelfinale stehen den Queuern 500 Central-Court, 500 No.1-Court und 500 No.2 Court, sowie 8500 Ground Passes zur Verfügung. Und die Plätze, die man über die Queue bekommt sind wirklich gute Plätze. Und es sind auch sichere Plätze. Im freien Verkauf muss man über eine Ticketlotterie gehen – hier hat man durch ein bisschen Anstellen seinen Wunschcourt sicher.)
Danach bauten wir schnell unsere Zelte auf – gerade so rechtzeitig, denn tatsächlich kam kurz darauf ein Schauer. Wir verdrückten uns ins Zelt – und die anderen beiden verdrückten noch ein paar Fish and Chips [echt Riesenportionen o_O) Ich war ja noch vom Italiener satt.
Eine der größten Nachteile der Queue ist das frühe Aufstehen. Man wird zwar ca. 5:30 Ortszeit geweckt, aber meine beiden Begleiter (erfahrene Queuer) empfahlen trotzdem schon wesentlich eher aufzustehen, denn wenn die Weckkolonne durchgeht, dann muss man sich wirklich beeilen. So hat man noch Zeit in Ruhe zu frühstücken und sich in Ruhe frisch zu machen (Sanitäranlagen waren ausreichend und stets sauber – haben ja dieses Jahr gelernt, dass das sowas nicht selbstverständlich ist – einziges Manko: es gab keine Duschen, man konnte sich, wenn man wollte dafür im Fitnessstudio um die Ecke anmelden zum Duschen). Es war auf jeden Fall schon wahnsinnig voll, als ich mich aus dem Zelt quälte. Denn ich machte Bekanntschaft mit einer weiteren Spezies: den Tagesqueuer. Das sind Londoner, die hier nicht übernachten, aber trotzdem über die Queue ihre Tickets holen. Da wird eine Picknickdecke und ein Picknickkorb mitgebracht und in Ruhe gewartet, dass es weiter geht. Meistens reicht es für die nur für Groundpasses, aber auch mit denen lässt sich ne Menge anfangen.
Nachdem also alle geweckt waren und ihre Zelte zusammengepackt haben (die musste man jeden Tag wieder ab- und aufbauen) sind wir mit den anderen, die an den Montag nicht reinwollten an den Rand. Die Wiese leerte sich Reihe für Reihe. Zunächst die, die gezeltet haben und dann auch nach und nach die Tagesbesucher. Unglaublich wie gut das Chaos organisiert war und wie relaxt alle Beteiligten (sowohl Besucher als auch Stewards) dabei waren. Anstellen, das können die Engländer – jemand anderes würde sich wohl auch kaum so ein System ausdenken. An diesen Montag war Achtelfinale der Herren mit Djokovic, Nadal und Federer, sodass fast alle reinwollten und wir auf Platz 72 rum vorrutschten. Zunächst mussten wir aber warten bis ein Großteil drinnen war, bevor wir wieder sortiert wurden. Das lief dann so ab, dass die Stewards unsere alten Nummern feststellten und dann wieder entsprechend einer Reihe ordneten. Um 11 gab es dann die neuen Queue-Cards.
Den Rest des Tages hieß es eigentlich nur noch Chillen. Hatte in Brüssel wenig Schlaf bekommen, so war es eine willkommene Gelegenheit Selbigen nachzuholen. Zwischendurch ging immer mal wieder ein Steward durch um die Anwesenheit zu kontrollieren, denn man darf sich offiziell nicht länger als 30 Minuten aus der Queue entfernen, sonst verlor man seine Nummer. Lustig war an dem Abend nur noch den Wettlauf der Federer-Fans zu sehen (also den ganz verrückten). Das Spiel war gerademal 6 ½ Minuten rum – da stürmten die ersten mit Koffer und Zelt schon an. Wer das Gelände kennt, weiß, dass ist selbst im Vollsprint ohne Koffer kaum zu schaffen so schnell zurück zu sein. Wir vermuteten deshalb, dass sie sich das Spiel von Roger nicht bis zum Schluss anschauten – war ja ein eindeutiges Spiel. Aber wäre es mir das Wert 140 Pound zu bezahlen, das Match, das mich interessiert nicht bis zum Schluss anzuschauen, nur damit ich rechtzeitig zurück bin um in die Top 500 zu kommen? Schwer zu verstehen, aber wir hatten unseren Spaß beim Beobachten.
Der nächste Tag lief ähnlich für uns ab. Es war Damenviertelfinale. Wir wollten auch hier nicht rein – und mit uns auch fast alle anderen. Wir machten nur 5 oder 6 Plätze gut, da fast alle fürs Herrenviertelfinale anstanden. Gut für die Tagesqueuer (also, die die sonst nur Groundpasses bekommen). Die hatten mal echt realistische Chancen auf gute Karten. Da kaum jemand ging, konnten wir ausnahmsweise mal unsere Zelte stehen lassen. Erneut ein chilliger Tag.
Am Mittwoch war es endlich soweit. Wir wollten rein :) Zu der normalen Morgenroutine (Frisch machen, zusammenpacken, frühstücken) kam diesmal Campingausrüstung abgeben dazu. Es gibt ein extra „Left-Luggage“-Zelt, an dem man seine Sachen für 1-5 Pfund (je nach Gepäckteil) zur Aufbewahrung geben konnte. Danach hieß es erstmal anstehen. Also diesmal wirklich. Bisher hatten wir ja quasi nur unsere Zelte der Reihe nach aufgestellt. Und heute wollte fast jeder rein (weiter zu warten wäre auch sehr sinnlos gewesen, denn es war der letzte Tag, an dem es Centre, No1 und No2-Court-Karten gab). Nach mehreren Stationen, an dem man seine Queuecard vorzeigen musste (Reihenfolge musste ja gewahrt werden) kamen wir dann gegen 10:00 endlich an den Ticketschalter und konnten unser Ticket für den Centrecourt kaufen.
Zunächst schauten wir uns ein bisschen auf dem Gelände um, schauten uns an der Videowall die Highlights des Vortages an, besuchten ein Juniorenmatch, schauten was es so im Merchshop gibt und waren pünktlich 13 Uhr an unseren Platz im Centre-Court. Erstes Viertelfinale: Novak Djokovic gegen David Goffin. Goffin hielt am Anfang gut mit. Holte sich sogar das Break. Aber danach war Schluss. Djokovic drehte auf und holte 10 oder 11 Spiele nacheinander. Für uns Zuschauer war das Spiel leider zu eindeutig und – zu kurz. Es blieb die Hoffnung, dass Match 2 spannender werden würde. Hier traf Kei Nishikori auf Roger Federer. Der Japaner spielte echt stark. Mich hat er beeindruckt. Den ersten Satz gewann er sogar. Er wurde auch nicht wirklich schlechter, Roger wurde einfach immer besser, sodass er trotz eines starken Gegners das Ding souverän nach Hause brachte. Schade, das wars dann wohl schon. Aber dann sagte der Stadionsprecher durch, dass noch ein Invitation-Double geben sollte u.a. mit Martina Navratilova. War sehr unterhaltsam. Die 4 Frauen hatten Spaß und machten ab und zu ihre Späßchen. Eine schöne Auflockerung.
Als wir an die Queue zurückkamen war diese so leer, wie bisher noch nicht. Wir waren jetzt so auf Platz 60. Einige nutzten die Queue einfach nur noch zum Übernachten, um dann am nächsten Tag heimzufahren, wenn man’s etwas weiter hatte. Wir wollten nochmal für nen Tagespass rein. Lief auch ganz entspannt am nächsten Tag. Court 2 war an diesen Tag ohne Platzkarten, sodass wir uns dort zwei Invitation-Doubles anschauten. Das eine war richtig lustig, bei den anderen hat sich einer der Spieler so in den Vordergrund geblödelt, dass es schon too mutch war und wir dann gegangen sind. Dazwischen fand noch das Mixed mit Laura Siegemund statt, dass sie und ihr Partner leider verloren. Aber wenigstens noch n Match mit deutscher Beteiligung gesehen. Anschließend spazierten wir noch ein bisschen durch die Grounds, schnupperten mal hier rein, mal da. Überall fanden Junioren oder Doppelmatches statt. Am Rande bekam man noch mit, dass die beiden Damenhalbfinals recht eindeutig waren. Dann war Wimbledon schon vorbei. Wir übernachteten nochmal in der Queue. (Jetzt mit Nummer 55). Und brachen in der Früh auf, um mit den Zug nach Hause zu fahren. Über die Fahrt richten wir den Mantel des Schweigens.
Hat sich auf jeden Fall gelohnt. Würde den Tripp nochmal machen, irgendwann :)