Mag sein, dass die Zeit nicht immer auf der Höhe derselben ist (meh!), aber der Autor, Kai Biermann, ist einer der wenigen deutschen ('Mainstream'-)Journalisten, die wohltuend viel Ahnung von Netzpolitik, 'Internet' sowie der Technologie dahinter haben.
Bei der Frage nach der Situation offener Standards muss man sicherlich unterscheiden zwischen dem Großteil der Normalnutzer und Leuten wie uns, die sich weitaus mehr damit beschäftigen sei es aus reinem Interesse oder weil man sogar in der Richtung studiert.
Was das 'offen' betrifft, so ist ja wohl total klar festzustellen, dass ein Großteil dessen, was für viele "Internet" bedeutet, heute soziale Netzwerke, insbes. facebook und twitter sind. Und die sind einfach alles andere als offen und die Tendenz, dass es mehr und mehr geschlossene Gesellschaften im Internet gibt, zwischen denen quasi kein Austausch möglich ist ist mMn nicht zu verkennen. (Ich verweise da gerne nochmal auf den
Spreeblick-Artikel, den ich vor einiger Zeit hier schonmal postete)
Aber abgesehen von diesen eher grundsätzlichen Entwicklungen: Ich sehe - im Großen und Ganzen - in den meisten Bereichen wenig, was mit Offenheit oder offenen Standards zu tun hat.
Beispiele aus jüngerer Zeit: Wissenschaftliche Datenbanken (JSTOR vs. Aaron Swartz), ein 'Open Data Portal' des Bundes,
dessen Daten nicht offen sind, der komplette DRM-Schwachsinn, der, nur weil iTunes da mittlerweile nicht mehr mitmitsch (oder?) alles andere als tot ist, etc (ihr lest vermutlich auch beide netzpolitik.org...)
Klar, für uns mag sich in den letzten Jahren die Situation verbessert haben, sei es, weil wir selber mehr OpenSource nutzen (Linux, OpenOffice, Firefox, Thunderbird, uswusf), aber das ist einfach nicht repräsentativ.
Das alles in Verbindung mit dem Bestreben einiger ISP, sowas wie Netzneutralität zu unterbinden und in einigen Fällen sogar zu untergraben lässt mich persönlich den Pessimismus des Zeit-Artikels eher teilen. Weil es nichts bringt, wenn ihr und ich ganz dolle über RSS Bescheid wissen, aber Millionen Erna Müllers von facebook-Algorithmen abhängig sind, die ihnen ihre Nachrichten vorsortieren.